UNFÄLLE

Seit den Anfangstagen gehören Unfälle zum Alltag der Straßenbahn. Auch in Wattenscheid. Heute entstehen dabei zumeist nur leichte Schäden. Vor allem die Hochstraße ist ein neuralgischer Punkt. Hier führt die Trasse eng an den Hauswänden vorbei. Manch ein Autofahrer nutzt den Bürgersteig für einen kurzen, gleichwohl unerlaubten Halt und kollidiert beim „Ausparken“ mit der Straßenbahn: Unnötige Stressmomente, insbesondere für die Mitarbeitenden der Straßenbahn und deren Fahrgäste.

UNGEWOHNTE TECHNIK

Anfangs gerieten neben Kleintieren leider auch viele auf der Straße spielende Kinder unter die Straßenbahnwagen. Auch Erwachsene verunglückten tödlich. Die Menschen konnten die Geschwindigkeit des neuen Verkehrsmittels nicht einschätzen.

Die Triebwagen aus der Anfangszeit wurden primär elektrisch gebremst. Die mechanischen Bremsen wurden mit einer Kurbel betätigt. Sie waren schwer zu bedienen. Der Bremsweg war deshalb im Verhältnis zur gefahrenen Geschwindigkeit sehr lang.

Auch die Mitarbeitenden der Straßenbahn verursachten schwerwiegende Unfälle: So berichtete die Wattenscheider Zeitung mehrfach über Auffahrunfälle. Zumeist wurden sie durch überhöhte Geschwindigkeit und falsch eingeschätzte Bremswege verursacht. Dazu nachfolgend zwei Beispiele. Die Unfälle ereigneten sich am 23. Januar und am 26. April 1896.

Ein Triebfahrzeugführer starb durch einen elektrischen Schlag, als er den Stromabnehmer unsachgemäß an die Fahrleitung anlegte.

Ende April 1896 war das Unfallgeschehen bei der Straßenbahn so intensiv, dass die Behörden sich entschlossen, bei der Königlichen Eisenbahn-Direktion eine Untersuchung in Auftrag zu geben. Darüber berichtete die Wattenscheider Zeitung am 27. April 1896:

Am gleichen Tag brannte in Höhe der Haltestelle „Kabeisemanns Hof“ der vollbesetzte Triebwagen 37. Das Feuer konnte vom Fahrpersonal und den Fahrgästen gelöscht werden.

WIE DIE HERINGSTONNEN

Eine weitere Ursache für die wiederkehrenden Störungen war die schwache Motorisierung der ersten Triebwagen: Die Motore hatten gerade einmal eine Leistung von 12,5 Kilowatt – weniger als ein Zehntel der Leistung der in den späten 1960er-Jahren eingesetzten Standard- und M-Wagen. Dies war auch der Grund dafür, dass der Beiwagenbetrieb auf der steigungsreichen Wattenscheider Strecke vom 3. März 1896 an eingestellt wurde. Erst nach der zwischen 1908 und 1910 erfolgten Umrüstung der Triebwagen auf Motoren mit 25 Kilowatt Leitung war die Mitführung von Beiwagen in Wattenscheid wieder erlaubt.

FORTSCHRITTE

Nach den ersten Betriebsjahren ging die Zahl der Unfälle zurück. Dazu beigetragen hat die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technik, insbesondere der Bremsen, sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, etwa durch verglaste Plattformen und heizbare Führerstände.

KONFLIKTE

Seit Anfang der 1930er-Jahre führte der zunehmende Individualverkehr zu kritischen Situationen im Betriebsablauf. In der Wattenscheider Innenstadt wurden Einbahnstraßen eingeführt, um Kollisionen zwischen Straßenbahnen und Kraftfahrzeugen zu vermeiden. Später folgten erste Heuer-Ampeln.

In den 1950er- und 1960er-Jahren entwickelten sich die schneller werdenden Kraftfahrzeuge, die allgemeine Verkehrsdichte und die zunehmende Rastlosigkeit im Straßenverkehr zu den häufigsten Unfallursachen. Ein Beispiel dafür ist ein schwerer Unfall, der sich Anfang der 1960er-Jahre im Bereich der Kreuzung von Wattenscheider Hellweg und Westenfelder Straße ereignete. Das involvierte Kraftfahrzeug kam erst an einem der Schleuderbetonmasten der Straßenbahnoberleitung zum Stillstand. Das nachfolgende Bild entstand bei der Schadensermittlung im Auftrag der Stadt Wattenscheid (Stadt Bochum, Pressestelle):

SCHAULUSTIGE

Zu den spektakulärsten Unfällen auf der Linie 2 gehörte eine Kollision, die sich am 24. Februar 1967 auf der Bochumer Straße in Höhe der Zeche Centrum ereignete: Der nach Bochum fahrende Triebwagen 272 kollidierte mit einem Lieferwagen. Das Beitragsbild und die nachfolgende Aufnahme zeigen die Situation während der Unfallaufnahme (Archiv Ruhr Nachrichten, Wattenscheid – Sammlung Ludwig Schönefeld).

Der genaue Unfallhergang lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Der Lieferwagen jedoch wurde zwischen der Fassade der Gaststätte „Heidekrug“ und der Straßenbahn regelrecht eingeklemmt. Wie es scheint, konnte der Fahrer unverletzt geborgen werden.

Bemerkenswert sind die zahlreichen Schaulustigen, darunter Mütter, die mit ihrem Kinderwagen unmittelbar an die verunfallten Fahrzeuge begeben, um sich das Unfallgeschehen im Detail anzusehen.