BAHNHOF WATTENSCHEID

Nach der Gründung der Mittelstadt Wattenscheid am 1. April 1926 war der 1874 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft auf der Gemarkung Westenfeld errichtete, am 1. Januar 1875 für den Personenverkehr eröffnete Bahnhof Wattenscheid in das geographische Zentrum der Stadt gerückt. Während die Züge der Reichsbahn im Verlauf der Jahrzehnte moderner wurden, blieb der Wattenscheider Bahnhof schon Mitte der 1920er-Jahre hinter der Zeit zurück.

Erst die durch die erheblichen Bergsenkungen in Westenfeld erzwungene Anhebung des Bahndamms zwischen der Blockstelle Leithe im Westen und Höntrop im Osten und der Ausbau der B 1 zum Ruhrschnellweg brachten Wattenscheid Mitte der 1950er-Jahre in den Genuss einer modernen Bahnhofsanlage.

ZEITLOS ELEGANT

Die Anhebung des Bahndamms veränderte das Bild des Bahnhofes ab 1956 grundlegend. Die Gleise lagen nun im Bahnhofsbereich deutlich höher als zuvor. Dadurch war es möglich, das 1956 errichtete Empfangsgebäude über einen Tunnel mit dem Bahnsteig zu verbinden. Der Hausbahnsteig des alten Bahnhofs entfiel ersatzlos.

Das neue, bis heute in seiner Grundkonzeption elegante Bahnhofsgebäude erhielt eine moderne Restauration, Schalterräume sowie eine Gepäck- und Expressgutabfertigung. Für den Bahnhofsvorstand war im Obergeschoss eine Dienstwohnung vorgesehen. Vor der Glasfassade des Neubaus wurden Taxistellplätze sowie ein Haltestellenbereich für die den Bahnhof passierenden Omnibuslinien angelegt.

Die gesamte Anlage sehen wir auf dem nachfolgenden Foto aus den 1960er-Jahren, auf dem im Hintergrund sogar schwach der Förderturm der Zeche „Fröhliche Morgensonne“ zu erkennen ist (Stadt Bochum, Pressestelle):

GROSSZÜGIG GEPLANT

In den Umbau wurde das gesamte Bahnhofsumfeld mit einbezogen, auch die angrenzende Wohnbebauung: Sechs, dem Bahnhof gegenüberliegende Doppelhäuser, das 1905 westlich des Bahnhofs gebaute Dienstwohnhaus des Bahnmeisters und eine Reihe weiterer Gebäude wurden abgebrochen. An ihrer Stelle entstand eine Wendeschleife für die den Bahnhof anlaufenden Omnibusse.

Für die großzügige Planung gab es einen guten Grund: Die Omnibusse führten in den ersten Jahren noch recht schwerfällige Anhänger mit. Die Fahrer sollten durch die Schleife beim Lenken entlastet werden.

Wie sehr sich das Bahnhofsumfeld durch den Umbau von 1957 gewandelt hat, verdeutlichen die Luftbilder der Jahre 1952, 1969 und 2021 aus der Bilddatenbank des Regionalverbandes Ruhrgebiet (© RVR – dl-de/by-2-0):

  • Auf dem Luftbild von 1952 sind die Häuser am Bahnhof noch gut zu erkennen..
    © RVR – 1952 – dl-de/by-2-0

Eine bessere Verknüpfung von öffentlichem Personennahverkehr und Regionalverkehr auf der Schiene konnte man sich nicht wünschen. In Wattenscheid hatte man aus heutiger Sicht alles richtig gemacht. Doch die gute Absicht geriet schon bald in die öffentliche Kritik. Dies auch, weil einige Omnibusfahrer die für sie angelegte Schleife schlichtweg ignorierten. Was also sollte das Ganze?

ALLE SOLLEN BAHNHOF SEHN

Die Wattenscheider Narren fanden schnell eine Antwort. Und so rollte 1960 ein eigens zu diesem Thema gestalteter Wagen mit, auf dem es spöttisch hieß: „Autobus, das muß sich drehn. Alle sollen Bahnhof sehn!“.

Das Beitragsbild vom Wattenscheider Karnevalszug 1960, der am 28. Februar durch die Freiheitstraße zog, nahm mein Vater, Dr. Paul Schönefeld, auf.

Seit 2007 ist Wattenscheid zu einem Haltepunkt, einem Bahnhof ohne Weichen, zurückgebaut. Die Omnibus-Wendeschleife ist heute ein Parkplatz, während die Linienbusse relativ weit vom Bahnhof entfernt in der Bahnhofstraße anhalten.

Ganz falsch lagen die Narren somit nicht. Wie das abschließende Bild, um 1965 aufgenommene Bild der Linie 92 (Höntrop – Wattenscheid Bahnhof – Gertrudisplatz) aus dem Archiv der Pressestelle der Stadt Bochum nahelegt, war es tatsächlich so: Alle sollten den schönen neuen Bahnhof sehn!