STÄDTEVERBINDUNG

Der geplante Bau der Kommunalen Straßenbahn von Herne über Wattenscheid nach Höntrop stellte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG und ihre Anteilseigner im Verlauf des Jahres 1906 vor große Probleme. Die Durchführung eines zusätzlichen Gleises durch die Oststrasse war mit den Rangierarbeiten an der Friedenskirche nicht mehr vereinbar.

Um das Problem zu lösen, schien anfangs nur die Alternative in Frage zu kommen, die Endstelle der Linien von Gelsenkirchen und Bochum an die Zeche Centrum zu verlegen. Dort wäre auch für den Standwagen der Werner Linie ausreichend Platz gewesen.

Für Bochum war die Lösung „Endstelle Zeche Centrum“ nicht akzeptabel. Sie befürchtete, nach der Verlängerung der Gelsenkirchener Strecke ihren Einfluss auf die Wattenscheider Stadtentwicklung zu verlieren. Ein sensibles Thema, allein weil sich die Wattenscheider ohnehin emotional eher mit Gelsenkirchen als mit Bochum verbunden fühlten.

In ihrer Ausgabe vom 23. Oktober 1906 berichtete die Wattenscheider Zeitung ausführlich über die Debatte. Im gleichen Artikel wird auch ein von der Verwaltung der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn bereits erarbeiteter Kompromiss aufgezeigt. Für diesen stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung allerdings noch die Zustimmung der beteiligten kommunalen Gremien aus:

VON SCHALKE NACH BOCHUM

Vom Dezember 1906 an sollte danach die Verbindung von Wattenscheid nach Werne aufgegeben werden. Stattdessen sollten die Straßenbahnen jetzt zwischen Gelsenkirchen und Bochum „durchlaufen“: Vom Schalker Markt in Gelsenkirchen bis zur Ausweiche Maarbrückerstrasse am Bochumer Rathaus.

In ihrer Wortwahl machte die Redaktion der Zeitung deutlich, dass die Herstellung einer Direktverbindung zwischen den Industriezentren Bochum und Gelsenkirchen ohnehin dringend geboten sei, als schnelle Alternative zu der komplizierten Eisenbahnverbindung über Wanne.

HÖHERE VERKEHRSSICHERHEIT

Die Verwaltung der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen versprach sich von der durchgehenden Verbindung eine „beträchtliche Hebung des Verkehrs“. In Bochum erwartete sie eine Erhöhung der Verkehrssicherheit: Da die Straßenbahnen an der damals noch ebenerdigen Kreuzung der Güterzugstrecke am Bahnhof Bochum-Gußstahl (heute „Bochum-West“) in der Regel aufgehalten wurden, fuhren sie als Ausgleich mit überhöhter Geschwindigkeit durch die engen Straßen der Bochumer Innenstadt. Die neue Endstelle an der Maarbrückerstrasse sollte „diesen Übelständen Abhilfe bringen“.

Tatsächlich wurde die Linienwegänderung im Dezember 1906 umgesetzt. Leidtragende waren die Geschäftsleute in Wattenscheid, die nun nicht mehr von den Einkäufen der „Umsteiger“ profitierten.

Der ursprüngliche Grund für die Debatte um die Verlegung der Endstelle hatte sich übrigens im November 1906 erledigt: Zu diesem Zeitpunkt waren sich Siemens & Halske als Betreiber der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen und die politischen Initiatoren der Straßenbahn von Herne nach Höntrop nach einer Notiz der Wattenscheider Zeitung vom 16. November 1906 einig, in der Wattenscheider Oststrasse bis zum „Dreieck“ eine gemeinsame, doppelgleisige Trasse zu benutzen:

GEBURTSSTUNDE DER 302

Die Linienwegänderung Ende 1906 war die Geburtsstunde der bis heute existierenden Städteverbindung von Bochum nach Gelsenkirchen. In späteren Jahren gab es zwar vorübergehend Verstärkerlinien. Getrennt wurde die Linie aber allenfalls vorübergehend, etwa bei Gleisbauarbeiten oder alljährlich für den Wattenscheider Karnevalszug.

Das Beitragsbild ist noch einmal eine Postkarte von der Endstelle am Wattenscheider „Dreieck“. Auf dieser, bereits 1904 von Cramers Kunstanstalt in Dortmund verlegten Karte, dient Triebwagen 22 in Wattenscheid als Standwagen. Zu erkennen ist das in der Vergrößerung an zwei Details: Der Wagenführer, der sich im Innenraum des Wagens aufhält, hat den Stromabnehmer von der Fahrleitung abgezogen. Damit keine Fahrgäste einsteigen, hat er am Führerstand das Schild „Besetzt“ heruntergeklappt.

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