Reparaturarbeiten lösten vermutlich am 24. September 1953 gegen 16 Uhr einen Brand im Dachstuhl des Turmes der Friedenskirche aus. Die noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Turmspitze des am 3. November 1880 geweihten Gotteshauses wurde vollständig zerstört.
Bei dem damals 13jährigen Wattenscheider Heimatfreund Rudolf Wantoch hinterließ der Brand des Turmes bleibende Erinnerungen. Dies auch, weil er zum Turm der Friedenskirche eine ganz besondere Beziehung hatte. Als Konfirmand gehörte er zu den Jugendlichen, die vor den Gottesdiensten die zwei Glocken der Kirche in Schwung brachten.
Anders als die Probsteikirche hatte die Friedenskirche Anfang der 1950er-Jahre noch kein elektrisches Läutewerk. „Die Glocken haben wir vor allem deshalb so gerne geläutet, weil wir dann an den Seilen Tarzan spielen konnten.“
ZISCHENDE FAHRDRÄHTE
Gespannt verfolgten die jungen Leute während des Brandes die Löscharbeiten der Feuerwehr. Sie sahen aber auch, was die Flammen in der Turmspitze anrichteten.
Durch die hohen Temperaturen verlor das hölzerne Tragwerk des Turmdaches zunehmend an Stabilität. Dies führte dazu, dass das Gebälk und das schwere Kreuz der Kirche zu Boden stürzten. Dabei verfing sich die brennende Konstruktion in der Fahrleitung der Straßenbahn.
Als das Kreuz mit voller Wucht auf die vorsorglich abgeschalteten Fahrdrähte aufschlug, drückte es diese zu Boden. Dann aber schnellten die Fahrdrähte zurück: „An das Zischen und an den dabei entstandenen durchdringenden Ton kann ich mich noch heute erinnern“, so Rudolf Wantoch in einem Anfang 2023 geführten Gespräch.
Der Straßenbahnverkehr wurde für die Dauer der schwierigen Löscharbeiten unterbrochen. Den Wattenscheider Feuerwehrleuten gelang es, eine Ausbreitung des Brandes auf den Kirchenraum mit seinen hölzernen Emporen zu verhindern. Die Orgel jedoch wurde durch das Löschwasser schwer beschädigt.
LEBENSLANG VERBUNDEN
Die historischen Stahlglocken der Kirche trotzten der enormen Hitze. Da sie jedoch gemeinsam schon immer unharmonisch waren, wurden sie 1957 durch ein vierstimmiges, besser tönendes Geläut ersetzt.
Die alten, historisch wertvollen Glocken wurden im Oktober 1956 von dem Wattenscheider Unternehmer Hugo Bungenberg erworben. Erneut hatte jetzt auch Rudolf Wantoch wieder mit ihnen zu tun: Als Lehrling bei Hugo Bungenberg musste er die Stahlglocken vom Rost befreien, bevor sein Lehrherr diese seiner notleidenden Heimatgemeinde im Eifelort Hellental stiftete. Später kehrten die auf die Namen „Rufe die Fröhlichen“ und „Tröste die Trauernden“ getauften Glocken nach Wattenscheid zurück. Sie stehen heute als Exponat im Heimatmuseum Helfs Hof.
Rudolf Wantoch veröffentlichte seine Lebenserinnerungen 2009 in dem Band „Der Nowak ließ uns nicht verkommen! – Geschichten und Anekdoten aus dem alten Wattenscheid.“
Das im Juni 1954 von Fr. Meyer aufgenommene Beitragsbild mit dem Großraum-Triebwagen 203 (Sammlung VDVA) zeigt den Turm der Friedenskirche ohne Turmspitze. Kurz darauf begann die Reparatur des Turmes.
Der Neubau der Turmspitze nahm einige Zeit in Anspruch. In der Zwischenzeit verlegte Cramers Kunstanstalt ein Postkartenmotiv der Oststraße, in das die durch den Brand zerstörte Turmspitze der Friedenskirche kurzerhand hineinretuschiert worden war.