Am 1. Januar 1980 erhielt die Städteverbindung von Bochum nach Gelsenkirchen im neu gegründeten Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Liniennummer 302.
Für die Fahrgäste brachte der Verkehrsverbund vor allem ein völlig neues Tarifsystem. An die Stelle des Streckentarifs, der nach der Anzahl der befahrenen Streckenabschnitte zwischen den sogenannten Zahlgrenzen berechnet wurde, trat ein Wabentarif, in dem anfangs nur die in einer oder mehreren Waben verbrachte Zeit berechnet wurde.
Da die im Ruhrgebiet wichtigen Kurzstreckenfahrten zwischen zwei oder mehreren Haltestellen dadurch sehr teuer wurde, ergänzte schon bald ein Kurzstreckenticket das neue Tarifsystem.
Der neue Tarif eröffnete bislang undenkbare Freiräume: Mit der Schüler-Fahrkarte konnte ich mich im gesamten Bochumer Streckennetz bewegen. Zuvor gab es eine strenge Bindung an die Strecke von der Zahlgrenze „Wattenscheid Rathaus / August-Bebel-Platz“ in Wattenscheid bis zur Zahlgrenze an der Haltestelle „Verwaltungsakademie“ in Bochum. Jede Fotofahrt auf anderen Strecken musste mit einem Schülerjob in einem Modellbahngeschäft oder Rasenmähen mühsam erarbeitet werden.
Für die Schulferien gab der VRR 1980 erstmals das „Jugendticket“ heraus. Für 23 DM konnte man zwei Tarifgebiete – zum Beispiel 35 Essen und 36 Bochum – kombinieren. Damit waren ausgedehnte Straßenbahnfahrten in den Nachbarstädten möglich. Ein Mitschüler, der mir das unten abgebildete Ticket mit der Nummer 535 für die Sammlung überließ, gehörte damals zu den ersten Käufern im Ruhrgebiet. Als „Ferienticket“ wurde das Angebot 1981 mit 18 DM noch günstiger:
NEUE HALTESTELLEN
Das neue Tarifsystem war nicht die einzige Neuerung im Zusammenhang mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Einer Vorgabe des VRR folgend, war es nicht mehr zulässig, Haltestellen nach lokalen Sehenswürdigkeiten oder nach Gaststätten zu benennen. Stattdessen sollten bevorzugt Straßennamen verwendet werden.
So wurde aus „Wattenscheid Rathaus“ sehr zum Unmut der „alten“ Wattenscheider die Haltestelle „Freiheitstraße“. Die Traditionshaltestelle „Zeche Centrum“ erhielt den Namen „Centrumplatz“.
Aus der Haltestelle „Dellmannshof“, die ursprünglich bereits im Verlauf der Wattenscheider Straße auf dem Bochumer Stadtgebiet lag, wurde in der VRR-Zeit „Elbinger Straße“. Im Zusammenhang mit der Verkehrsberuhigung der Bochumer Straße wurde die Haltestelle um rund 100 Meter nach Westen verschoben. Seither liegt sie wie die namensgebende Straße auf ehemaligem Wattenscheider Gebiet.
Die Haltestelle „Wattenscheid Heide“ wurde zunächst – wie schon einmal in den 1930er-Jahren – in „Breddestraße“ umbenannt. Da die Breddestraße später unmittelbar an der neuen Haltestelle „Elbinger Straße“ lag, erhielt der folgende Halt den Namen „Alte Heide“.
Und noch etwas war neu: Nach und nach wurden, beginnend mit den M-Wagen, auch die älteren Standardwagen mit Kassetten-Abspielgeräten ausgerüstet, über die eine sympathische Frauenstimme die jeweiligen Haltestellen ankündigte.
ABBRUCH DES AMTSGERICHTS
Noch bis 1986 hatte die Engstelle im Verlauf der Friedrich-Ebert-Straße zwischen der Einmündung der Gertrudisstraße und der Haltestelle Freiheitstraße Bestand: Die Stadt hatte mit dem Abbruch des Wattenscheider Amtsgerichts bereits im Herbst 1978 ihr Grundstücke für die neue Straßenführung freigeräumt. Der notwendige Abbruch weiterer Wohnhäuser zog die Bauvorhaben jedoch in die Länge.
Erst Mitte der 1980er-Jahre wurde der lange angekündigte Lückenschluss Realität. Die neue Straßenbahntrasse wurde 1985 angelegt. Ab dem 18. Januar 1986 war die Engstelle in Richtung Gelsenkirchen beseitigt. Wenige Tage später, ab dem 25. Januar 1986 konnten die Straßenbahnen dann auch in Richtung Bochum über die neuen Gleise fahren.
Das im Winter 1988/89 von Gerhard Schnickmann Beitragsbild dokumentiert mit dem Titelmotiv des vorangegangenen Kapitels die Veränderungen im Bereich des Wattenscheider Rathauses. Triebwagen 316 legt sich in der optischen Verkürzung durch das Teleobjektiv geradezu dynamisch in die Kurve.
Weitere Aufnahmen aus den 1980er-Jahren enthält der nachfolgende Slider. Der erste Teil der „Fotostrecke“ entstand am 27. März 1985 im Bereich der Ückendorfer Straße. An diesem Tag war der Fahrzeugeinsatz besonders interessant, da eben den im Betriebshof Gelsenkirchen beheimateten Planwagen auch Ersatzfahrzeuge, eine Werkstattfahrt und ein Fahrschulkurs unterwegs waren.